Ich lese Fantasy. Ich schreibe Fantasy. Das ist kein Geheimnis, doch ich rede nicht gerne darüber. Mündliche Diskussionen fallen mir ohnehin oft schwer und noch schwerer wird es, wenn ich anfangen muss, mich und mein Interesse zu verteidigen – denn das tue ich bereits seit meiner Jugend; seit ich ganz tief in diverse Fantasywelten eingetaucht bin. Denn Menschen, die sich mit phantastischen Elementen beschäftigen, gelten bei vielen leider noch immer als „weltfremd“.
Obgleich ich mein Genre liebe, hat die Nachfrage, was ich denn schreibe, immer einen bitteren Beigeschmack. Meine Erfahrung zeigt, dass viele Menschen, besonders die, die sich für intellektuell halten, alles, was mit Phantastik zu tun hat, nur von oben herab beäugen. Fantasy ist eben noch immer keine „richtige“ Literatur. Vor ein paar Wochen klang diese Herablassung sogar durch meine sehr phantastikliebende Internetbubble. Und diese kam daher wie ein Rundumschlag gegen fast alles, was mir wichtig ist: Gegen Phantastik, gegen Gleichberechtigung, gegen die Stärkung von Minderheiten.
Die „Normalos“ dieser Welt sind eben noch immer „alte weiße Männer“ (*) und die wollen immer noch entscheiden, was wichtig und richtig ist. Und am wichtigsten sind sie sich selbst.
Das beginnt mit der Uneinsichtigkeit, dass Sprache wandel- und veränderbar ist, über die Sturheit nur das eigene Wichtigkeitsempfinden gelten zu lassen bis hin zum Empören darüber, dass auch andere Menschen ihren Teil der Aufmerksamkeit und der Gleichberechtigung haben wollen, weil diese leider immer noch nicht alle Menschen gleich gemacht hat.
Alles ist im Wandel …
… und die Menschen, die bisher nahezu uneingeschränkt privilegiert waren, sollen diese Uneingeschränktheit plötzlich mit anderen Teilen. Es ist die Mentalität: Es war gut, wie es bisher war, und so soll es auch bleiben! Aber das ist das Gegenteil von Wandel. Der beginnt vielleicht mit Kleinigkeiten, die sich unbemerkt einschleichen, endet aber damit, dass sich am Ende grundlegend vieles ändert. Manchmal von hier auf jetzt, meistens aber schleichend. Der Wandel endet nie. Es gibt nur Menschen, die das nicht sehen wollen und sich lieber in ihrer Bequemlichkeit suhlen.
Weswegen ist es zum Beispiel so schwer, die Wandelbarkeit der Sprache zu akzeptieren? Liest man heute Briefe, die vor hundert Jahren geschrieben wurden, haben selbst diese eine ganz andere Sprache. Früher mussten Kinder ihre Eltern Siezen, früher wurde zwischen Frau und Fräulein unterschieden, je nachdem ob Frau verheiratet war oder nicht, früher hätte niemand von einer „Arschkarte“ gesprochen, denn diese Redewendung geht auf Fußball zurück.
Auch ich musste meine Meinung dahingehend ändern.
Ich bin es gewohnt, mich angesprochen zu fühlen, wenn die männliche Form verwendet wird. Meine kluge Tochter hingegen fühlt sich nicht angesprochen. Und sie hat recht. Durch diese Akzeptanz suggeriert die Sprache, was in unserer Gesellschaft schon lange überholt sein sollte: Frauen sind nur Teil des Mannes. Durch die Akzeptanz von uns Frauen, dass wir „mit gemeint“ sind, halten wir uns selbst unsichtbar, obgleich wir genauso Menschen sind, wie Männer.
Im technischen Bereich haben wir uns damit sogar selbst ein Bein gestellt. Suchalgorithmen richten sich nach der männlichen Form. Sogar im bibliothekarischen Bereich wird in den meist nicht gegendert, dabei sind Bibliothekare in vielen Dingen eher überkorrekt. Die Auswirkungen dessen wird in dem Artikel Der Google-Algorithmus ist frauenfeindlich und die deutsche Sprache hat daran Schuld sehr schön beschrieben.
Die Blockade der Sturheit
Ich erspare es mir an dieser Stelle, die Farce um #wikifueralle noch einmal breitzutreten. Die einschlägigen Artikel dazu verlinke ich am Ende des Beitrags. Denn das die deutsche Wikipedia von “alten weißen Männern“ dominiert wird und einige von diesen frauenfeindlich sind, wurde im Zuge dessen offensichtlich. Im Fokus des ganzen stand Theresa Hannig und deren Aktivitäten, Frauen sichtbarer zu machen. Involviert war die Liste deutschsprachiger Science-Fiction-Autorinnen, das Nornennetz und zuletzt sogar PAN e.V..
Mit den Befindlichkeiten einiger Wikipedianer hatte Theresa Hanning sicherlich nicht gerechnet. Ich zugegebener Maßen auch nicht. Als Bibliothekarin bin ich Verfechterin von frei zugänglichem Wissen. Das ist es, was Wikipedia leisten sollte, unabhängig des Themas. Denn auch die verschiedenen Schneckenarten im Schwarzwald sind für bestimmte Menschen sehr interessant, vielleicht sogar für ein paar Neugierige. Wer Kinder hat weiß, was die für Fragen stellen können und welches Elternteil ist nicht froh, kurz auf Wikipedia nachlesen zu können, um sie zu beantworten? Doch die Annahme, jedes Wissen sei wichtig, gilt in der deutschen Wikipedia schlichtweg nicht. Viel mehr scheint sie auf dem Grundsatz „Ich und mein Empfinden für Wichtigkeit“ aufzusetzen. Und die Menschen, die andere dafür rügen, sie sollen nicht so empfindlich sein, die „Normalos“ und „alten weißen Männer“, zeigen plötzlich ihre eigenen Befindlichkeiten – und fühlen sich angegriffen.
Und warum? Weil sie sich plötzlich übergangen fühlen? Weil gegen ihre Einstellung mobilisiert wurde und Menschen sich einmischten, denen die Themen sehr wohl wichtig sind? Weil wir Phantastikautor*innen Teil des Kulturlebens und Zeitgeistes sind und man uns nicht einfach als unwichtig deklarieren kann? Weil uns Frauen nicht ausreicht, was uns die Feministinnen dieser Welt bereits erkämpft haben? Weil wir echte Gleichberechtigung wollen? Weil wir auch gesehen werden wollen?
Und das Spiel lässt sich noch ausweiten, den auch zur Gleichberechtigung gehört nicht nur, dass Männer und Frauen die gleichen Rechte haben. Das beinhaltet auch menschliche Vielfalt, in der trotzdem jeder auf der gleichen Ebene steht. Das Schlagwort dazu heißt Diversität. Ich möchte als Mutter, dass meine Kinder sein können, wie sie sind ohne den Zwang sich anpassen zu müssen. Ich möchte, dass meine Kinder sich selbst definieren können, ohne in eine Schublade gesteckt und gemobbt zu werden. Ich möchte, dass sie nicht die Einzigen sind, die mit Menschen mit Behinderung ganz normal umgehen und ich möchte, dass allen Kindern Haut- und Haarfarbe der Klassenkameraden einfach egal sind. Ich möchte als Autorin wahrgenommen werden und ich möchte, dass andere Autorinnen gesehen und gelesen werden, obwohl sie Frauen sind.
In einer diversen Gesellschaft hat Rassismus, Misogynie, Homophobie und all das, was Vorurteile und Hass schürt, keinen Platz. Menschen sind Menschen und Menschen sind verschieden. Es gibt immer Idioten. Doch Idioten definieren sich durch ihre Einstellung, nicht durch ihr Aussehen, ihr Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung.
(*) Anmerkung meinerseits: Ich verwende den Begriff „alte weiße Männer“ nicht gerne, denn er schert mir zu viele unterschiedliche Menschen – bzw. in dem Fall Männer – über einen Kamm. Aber er ist leider bereits eine aussagekräftige Redewendung geworden. In dem Sinne: Bitte entschuldigt, all ihr jung gebliebenen „alten weißen Männer“! Ihr seid damit nicht gemeint 😉
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